Mit
Barba
rossa

auf dem Mainzer Hoffest

Eine Erzählung zu der Ausstellung „Barbarossa - Die Kunst der Herrschaft“
28. Oktober – 5. Februar 2023
LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster

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1 n🍦 Festival

  • Barbarossa hat Heinrich hinzugefügt.

  • Barbarossa hat Friedrich hinzugefügt.

  • Barbarossa:

    Jungs, ich mach ne Partie in Mainz für euch und lade alle ein. Und ich meine alle!

  • Friedrich:

    Vater, schon wieder ein Turnei? ⚔️

  • Barbarossa:

    Lame, Autokorrektur. Ich meine PARTY!

  • Friedrich:

    Welch freudige Botschaft, verehrter Vater. Das Fest wird deine Macht in angemessenem Glanz erscheinen lassen.

  • Heinrich:

    Welch Anlass verschafft meinem Brüderle und meiner Wenigkeit die Ehre?

  • Barbarossa:

    Büble, macht euch mal locker. #alittleparty­neverkillednobody.

  • Heinrich:

    Aber Vater. Der Grund eines solches Festaktes muss dem Volke kommuniziert werden.

  • Barbarossa:

    True! Sponti Idee: ich grade euer life up und mach euch zum Ritter. #pimpmysons

  • Friedrich:

    Hurra, endlich die Schwertleite. Welch‘ Ehre! 🙂

  • Heinrich:

    Alsbald müssen wir die treusten Gefährten benachrichtigen.

Pfingsten 1184

Das wohl berühmteste Fest des Mittelalters, das Mainzer Hoffest, tobt. Tausende Gäste sind aus allen Teilen des Reiches angereist, um zu feiern, zu netzwerken und sich zu zeigen. Alles dreht sich um einen der mächtigsten Männer seiner Zeit: Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa.

Die Vorbereitungen beginnen

(i) Zürich, Herr Hiltbolt von Schwangau, Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), ca. 1300 bis ca. 140, Bl. 146r, Universitätsbibliothek Heidelberg/ https://doi.org/10.11588/diglit.2222#0287

In den hundert Jahren zwischen 1100 und 1200 entstehen Städte wie Leipzig, München oder Lübeck. Es entwickeln sich landwirtschaftliche Techniken, etwa zum Pflügen, und ein neues Wirtschaftssystem setzt sich durch. Zugleich werden Universitäten in Europa gegründet und Gott bekommt menschliche Züge. Es ist Barbarossas Zeit, gegen deren Ende er ein legendäres Fest feiert.

1 n🍦 Festival

  • 23. April 1184
  • Gruppe „1 n🍦 Festival"

  • Erzbischof Konrad von Mainz, Erzbischof Phillip von Köln, Erzbischof Wichmann von Magdeburg, Abt von Fulda, Herzog Friedrich von Böhmen, Herzog Leopold V. von Österreich, Herzog Bernhard von Sachsen, Pfalzgraf Konrad, Landgraf Ludwig von Thüringen, Graf Balduin V. von Hennegrau, und weitere werden hinzugefügt

  • Barbarossa:

    Hey Bros, an Pfingsten gebe ich eine dicke, fette Party in Mainz am Rhein. Seid ihr am Start?

  • Erzbischof Konrad von Mainz:

    Vielen Dank, verehrter Kaiser Friedrich Barbarossa. Ein glorreiches Fest in meiner Stadt. Gott segne Sie und Ihre Familie.

  • Barbarossa:

    #cringe

  • Herzog Friedrich von Böhmen:

    Welch eine Ehre! Doch sagt, unser Kaiser, gibt es einen Anlass für diese Festivität?

  • Barbarossa:

    Die Boys werden endlich Ritter! Don’t you know? Das ist ja wohl Grund genug!

  • Erzbischof Philip von Köln:

    Vielen Dank för de Enladung. Isch kumm jähn. Wat es met +1?

  • Barbarossa:

    Ja klar, Ehrensache. 😎

  • Abt von Fulda:

    Wird auch für unser leibliches Wohl gesorgt?

  • Barbarossa:

    Klar, wir werden uns richtig abschädeln! #eskalation Die Geringverdiener tischen auf.

  • Barbarossa:

    😀 Geringverdiener passt natürlich auch. Die Autokorrektur wieder. Geneigte Diener sollte es heißen.

  • Graf Balduin:

    Verehrter Kaiser, sollen meine Diener schon anreisen und die Zelte wetterfest errichten?

  • Babrarossa:

    Quatsch, das muss perfekt werden. Lass uns dafür eine Holzstadt in der Stadt bauen. Außerdem habe ich Prachtzelte des Königs von England. So richtig Mega-Glamping. #yolo

  • Herzog Leopold V:

    Ich werde mit den edelsten Rittern aus ganz Österreich nach Mainz reiten. Es wird wohl auch Turneis geben?

  • Babrarossa:

    Hast du das Line-Up nicht gelesen? Scroll mal nach oben.

(i) Konvente Marbach/Schwarzenthann (Oberelsass)
Herrscherbild Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, um 1180
Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.: Hs. 367 (Detail Barbarossa)

König Friedrich I., genannt Barbarossa: Seinen erst seit dem 13. Jahrhundert gebräuchlichen Beinamen „Barbarossa“ erhält Friedrich I. von den Italienern. Übersetzt bedeutet er „Rotbart“. Wie rot seine Haare wirklich sind, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass rote Haare im Mittelalter Boshaftigkeit und Jähzorn symbolisieren. Kein liebevoller Spitzname also…

(i) Konvente Marbach/Schwarzenthann (Oberelsass)
Herrscherbild Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, um 1180
Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.: Hs. 367 (Detail Barbarossa)

Die Einladungen

Im Mittelalter gibt es nur die Möglichkeit über Briefe auf Distanz zu Kommunizieren – vorausgesetzt die Leute können lesen und schreiben oder haben das Geld für Schreiber. Vermutlich werden die Gäste zum Mainzer Hoffest per Rundschreiben eingeladen. Die Briefe werden an die zentralen Höfe gebracht und dort abgeschrieben und weiter verteilt. Ein erstes logistisches Unterfangen für den Event. Denn die Bot:innen ritten auf ihren Pferden teilweise mehrere Monate durchs Land, um die Nachricht zuzustellen.

Das Schwert als Statement

(i) Weingarten, Friedrich Barbarossa mit seinen Söhnen König Heinrich und Herzog Friedrich. Miniatur aus der Welfenchronik, 1185, Landesbibliothek Fulda

Auch wenn auf den ersten Blick das Mainzer Hoffest eine unterhaltsame Veranstaltung werden soll, ist das Fest für Barbarossa auch Mittel zum Zweck. Je mehr Gäste kommen, desto deutlicher wird die Autorität des Kaisers. Für die Gäste ist es wiederum eine Ehre, zu diesem Ereignis geladen zu sein.

Das Mainzer Hoffest hat einen politischen Hintergrund: Barbarossas Söhne, Heinrich und Friedrich, erhalten die Schwertleite, oft Ritterschlag genannt: Sie werden dabei für volljährig erklärt. Dieses Symbol hat auch Strahlkraft nach außen. Barbarossa sichert so das Überleben seines Herrscherhauses über Generationen.

(i) Deutschland, Schwert mit Scheibenknauf, 12. Jh. (?), LWL-Museum für Archäologie Herne

Dieses Schwert hat die Inschrift „Im Namen Gottes“ und ist ein typisches Ritterschwert aus dem 12. Jahrhundert. Damals wird die Schwertleite erstmals in Texten beschrieben: Der Neuritter wurde mit dem Schwertgurt umgürtet und erhielt seine Sporen.

Demonstration der Macht

Da die meisten Menschen im Mittelalter, wie auch Barbarossa selbst, weder schreiben noch lesen können, ist die mündliche Überlieferung der wichtigste Garant für einen Platz in der Geschichte. Wer dafür sorgen will, nicht in Vergessenheit zu geraten, inszeniert sich dementsprechend vor möglichst großem Publikum, wie Barbarossa beim Mainzer Hoffest. Die mittelalterlichen Quellen belegen ein prachtvolles Fest, von dem man „bis zum Jüngsten Tag“ erzählen werde.

Solche Massenveranstaltungen sind auch heute noch üblich. Donald Trump unterstellt zum Beispiel der Presse nach seiner Amtseinführung „FakeNews“. Sie habe die Fotos gefälscht, um die Besucher:innenzahl geringer darzustellen.

Auch die Nationalsozialisten benutzen ab 1933 Großveranstaltungen, um ihre Macht zu inszenieren, indem Tausende ihren „Führer“ bejubelten.

Etikette, please!

Zeremonien und Rituale sind auch beim Mainzer Hoffest von großer Bedeutung. Es geht besonders darum, dass die Ehre und der Rang zum Ausdruck kommen.

  • Vor dem Essen Händewaschen nicht vergessen. Dieses Gebot galt bereits in der höfischen Kultur des Mittelalters. Dort galt es als Zeichen guter Erziehung, dem Höhergestellten beim Umgang mit Kanne und Becken zu helfen. Aus dem Mittelalter sind aufwendig gestalteten Aquamanile, Gefäße für die Handwaschung, erhalten...

  • … Manche Dienstbot:innen kommen in der Rangordnung so weit unten, dass sie nicht einmal den Adeligen das Wasser zum Händewaschen bei Tisch reichen dürfen. Daraus entsteht das Sprichwort „Jemandem das Wasser reichen“.

Rituale haben eine große Bedeutung, vor allem bei Staatsbesuchen von Politiker:innen. Der Handschlag beispielsweise, ein Ritual aus der Antike, zeigt von Anfang an, dass die Parteien unbewaffnet und in friedlicher Absicht aufeinandertreffen. Auch heute steht der Handschlag für ein vertrauensvolles Bündnis.

Alles in Ordnung

Im Reich übernehmen die Stände bestimmte Aufgaben. Die Geistlichkeit sorgt für das Seelenheil, die Ritter bieten Schutz und die Bauern erwirtschaften die Nahrungsmittel – auch für üppige Festtafeln wie in Mainz. Der letzten Gruppe gehören über 90 Prozent der Bevölkerung an.

Als sich im Mittelalter immer mehr Städte entwickelten, vergrößerte sich zusehends das Bürgertum. Die Ständegesellschaft wurde über die Zeit immer durchlässiger, das Bürgertum erschuf neue Berufe, die unser Zusammenleben auch heute noch prägen.

Geschenke-
Orgie

Geschenke gehören zu Festlichkeiten dazu. Eine gute Möglichkeit aus der Masse herauszustechen sind besonders kostbare Geschenke.

Beim Hoffest gibt es Pferde, Kleidung, Gold und Silber, die großzügig an Ritter oder auch Spielleute verteilt werden. „Die Fürsten taten dies nicht bloß zu Ehre des Kaisers und seiner Söhne, sondern sie spendeten auch mit freigiebiger Hand, um ihren eigenen Ruhm weithin bekannt zu machen“, berichtet ein Augenzeuge. Um den anderen in Reichtum und Macht nicht nachzustehen, übertrumpfen sich die Edelleute in ihren großzügigen Mitbringsel an die Bevölkerung, aber auch um das sensible Gleichgewicht der Ränge zu bewahren.

Gourmet-Oase

  • Ava:

    Team, seid ihr startklar? Endlich geht es los! 👍️

  • Ava:

    Ihr seid dufte. Ohne euch könnte das Fest never stattfinden. Mit den ganzen Snacks & Drinks können wir noch drei Feste feiern, haha. #afterparty Auch im Namen der Krone nochmal ein dickes THX. #onlycrewloveistruelove

  • Thomas:

    Im Namen der Krone, lol.

  • Constanze:

    Der Rotbart weiß doch gar nicht, dass es uns gibt! Für den fällt die Haxe vom Baum ab auf seinen Teller.

  • Edgar:

    Ganze 12 Monate habe ich an den Holztribünen gebaut, Tag und Nacht. Und was hab’ ich davon? Rücken!

  • Loretta:

    Ich hab’ auch Rücken von dem ganzen wilden Thymian-Gepflücke.

  • Ava:

    @Loretta Das Lamm wird ein Traum. #foodporn

  • Loretta:

    Wayne juckts. Wir kriegen ja eh nix ab.

  • Hedwig:

    Welche Schicht habe ich nochmal?

  • Ava:

    Spätschicht, ab Sonnenuntergang. Pünktlich für das Flötenkonzert der Damen des Langen Atems.

  • Hedwig:

    Die Nachtschicht ist immer Horror mit all den betrunkenen Kerlen. #metoo

  • Ava:

    Passt auf jeden Fall gut auf! Und geht bei Nacht immer nur zu zweit aus den Zelten.

Sein linker, linker Platz ist frei

Wer neben Barbarossa sitzen darf, wird in Mainz zum Rangstreit. Augenzeugen berichten, dass Abt Konrad aus Fulda sein altes Recht einfordert, zur Linken des Kaisers zu sitzen. Der Kaiser bittet daraufhin den Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg, der sich aus anderen Gründen sowieso schon von Barbarossa beleidigt fühlt, den Platz frei zu machen. Der Erzbischof empfindet dies als Angriff auf seine Stellung. Er bittet darum, sich in seine Herberge begeben zu dürfen. Viele seiner Lehnsmänner wollen ihm folgen. Ein Skandal! Die Gastgeber lenken ein.

Profis mit Schwert und Pferd

Tausende Ritter sind bei dem Mainzer Hoffest zugegen. Das Ritterturnier soll der Höhepunkt der Festtage sein. Kaiser Barbarossa verspricht sich durch die Bilder der Ritterturniere, die Macht seiner Herrschaft symbolisch zu festigen.

Das Bild des Ritters

Die schimmernde Ritterrüstung gilt heute als Zeichen für Heldentum und persönlichen Mut, für (toxische) Männlichkeit, für Frommheit und Krieg. Historisch ist der Begriff des Ritters auch doppeldeutig: Dem Ursprung nach sind Ritter eine militärische, berittene und gepanzerte Truppe, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer adligen Gruppierung entwickelt.

Beim Mainzer Hoffest stehen sie im Fokus. Bei den Wettkämpfen treten mehrere Ritter gegeneinander an, in prunkvollen Schaukämpfen, aber auch beim „Turnei“ mit scharfen Waffen und entsprechenden Verletzungen.

Toxic☣️

  • Alexander:

    Liebe Ritter-Gefährten, ich wende mich mit Zweifeln an euch Zweie. Nach endlosen schlaflosen Nächten, Kummer und Ratlosigkeit kann ich meine Gedanken nicht mehr verschweigen. Die Turneis machen mir Angst.

  • Gottfried:

    Lackschuuuuuuh, was los mit dir? Was ist Angst?

  • Rudolf:

    @Gottfried – was ist los mit DIR? Lass unseren Gefährten doch erst mal seine Sorgen teilen.

  • Alexander:

    Ich bitte euch mein Anliegen mit Respekt und Vertrauen zu behandeln.

  • Gottfried:

    Ehrensache, #brocode

  • Alexander:

    Ich beobachte, wie das Rittertum an unserem Hofe sich verändert. Mit Ankündigung der Turneis in Maniz werden die Gewaltphantasien unserer Gruppe größer. Der toxische Drang des Gewinnens führt zur Verrohung unserer Existenz.

  • Gottfried:

    Toxischer Drang des Gewinnens? Gesunder Kampfgeist!

  • Rudolf:

    Seine kaiserliche Hoheit verlangt es so. Die Gäste müssen unterhalten werden.

  • Gottfried:

    Wir sind edel und fromm!

  • Alexander:

    Teilt ihr meine Sorgen nicht? Ich befürchte, dass auch andere Gruppen sich so entwickeln und es zu Gewalt und Brutalität kommt.

  • Gottfried:

    👎️

  • Rudolf:

    🤔

  • Alexander:

    Ich erwäge auf dem Hofe zu bleiben und die Kinder zu hüten.

  • ++ Gottfried hat die Gruppe verlassen ++

  • Rudolf:

    Eieiei, dann bring wenigstens deine Kinder mit. Klothilde gibt einen Hygieneworkshop. Das ist vielleicht mehr nach deinem Geschmack.

  • Ein Ritter hilft dem anderen das Kettenhemd anzuziehen. Die Äbtissin Herrad von Landsberg (1125–1195) hält die Szene in ihrem Nachschlagewerk fest, der ersten, nachweislich von einer Frau abgefassten Enzyklopädie.

  • Der „halbe Ritter“ ist Teil eines Aquamaniles, eines Wassergefäßes. Es zeigt die beim Mainzer Hoffest vorherrschenden Rüstungen mit Kettenhemd und Nasalhelm.

Ritter als Idole?

Literatur, Filme und Medien bestimmen heute, wie Ritter wahrgenommen werden. Solche Vorstellungen formen schon in den Kinderzimmern einseitige Idealbilder von Männlichkeit und setzen so gesellschaftliche Normen. Oft fehlen vielschichtige Vorbilder.

Mächtige Frauen

Alle Frauen von Rang und Namen sind in Mainz dabei. Ihre Rollen bei Hofe sind dabei widersprüchlich: Angebetete im Minnesang und zugleich Eigentum ihres Mannes, schmückendes Beiwerk und (heimliche) Regentin.

Auch eine Karriere im Kloster ist für Adlige eine durchaus interessante Alternative.

Reunion Mainz ❤️

  • Beatrix hat Gerda, Brunhilde, Agnes, Kunigunde und Klothilde hinzugefügt

  • Beatrix von Burgund:

    Girls, endlich sehen wir uns mal wieder! ❤️

  • Kunigunde:

    Wow, RISE AGAINST MILANO?! Die wollte ich schon immer mal live sehen! 😍

  • Gerda:

    Ich freu’ mich viel mehr auf DIE DAMEN DES LANGEN ATEMS. Die sind mega, habe ich gehört.

  • Brunhilde:

    Apropos langer Atem: Die letzten Nächte stand wieder son Franzose unter meinem Fenster und hat die ganze Nacht geträllert. Hoffentlich kommt der nicht auch.

  • Agnes:

    Meinst du Balduin le Bleu? Den find ich sweet.

  • Brunhilde:

    Genau der! Hast du mal seine Stimme gehört? Da vergehen jegliche romantischen Gefühle.

  • Agnes:

    Schade, okay. Ich hab grad eh so nen fetten Pickel auf der Stirn, mit dem kann ich mich auf dem Fest nicht blicken lassen.

  • Klothilde:

    Quendel! Das ist der shit auch bei Hauterkrankungen, sagt zumindest Hildegard immer.

  • Agnes:

    Quendel?

  • Klothilde:

    Na die Pflanze. 😄🌱

    forwareded
    „Wenn ein Mensch krankes Fleisch hat, so dass sein Fleisch, seine Haut wie räudig ausblüht, dann nehme man Quendel und esse es gekocht mit Fleisch oder Gemüse und das Fleisch seines Körpers wird von innen heraus geheilt und gereinigt werden.“

  • Beatrix:

    Meine Lieben, stresst euch doch nicht so. Ihr werdet wie immer wunderschön sein! An der alten Eiche habe ich übrigens extra noch einen Hygiene- und einen Mode-Workshop für euch geplant. 👍

  • Kunigunde:

    Du bist die Beste, Beatrix!

Role Model

Das Mainzer Hoffest ist nach dem Geschmack von Beatrix von Burgund (1140/47–1184). Sie ist selbstbewusst, gebildet, eine Frau von Welt. Sie spricht Latein, Griechisch und seit der Hochzeit auch Deutsch. Alle Köpfe recken sich bestimmt nach ihr. Wie sieht sie wohl aus?

Auf dem Armreliquiar Karls des Großen, einem der wenigen zeitgenössischen Bilder der Kaiserin, ist sie mit Kronreif und Schleier nur grob zu erkennen. Ein italienischer Geschichtsschreiber berichtet über ihr Äußeres: „…glänzendes und goldenes Haar, ein sehr schönes Antlitz, weiße Zähne, leuchtende Augen, sehr schöne Hände." Sie wird von ihm als von kleiner Statur und grazilem Körperbau beschrieben. Dies bestätigen auch Untersuchungen ihres Grabes im Speyrer Dom.

Sie entspricht damit bis heute einem beliebten Prinzessinnen-Typ.

  • Beatrix, die Erbin Burgunds, wird mit höchstens 16 Jahren die zweite Frau Barbarossas. 1156 erfolgt in Worms die Krönung zur Königin, 1167 zur Kaiserin. Bilder und Informationen zu ihr sind rar. Neben diesem Armreliquiar gibt es …

  • … Münzen mit Kaiser und Kaiserin.

Wiedersehen

Erst bei den Mainzer Hoftagen trifft Beatrix nach langer Zeit Barbarossa wieder. Warum das Paar gegen Ende ihres Lebens räumlich getrennt lebt, bleibt ein Rätsel. Zuvor begleitet und berät Beatrix ihn stets, selbst bei den Feldzügen über die Alpen.

Beatrix ist wichtig. Allein ihre Krönung zur Kaiserin 1167 ist ein Statement, denn durch sie triumphiert Barbarossa in seinem Streit mit dem Papst über Rom – zumindest kurz. Denn 1177 gewinnt Papst Alexander III. den Konflikt, wodurch Beatrix Position als Kaiserin nicht mehr legitim ist. Sie zieht sich nach Burgund zurück, wo sie ab 1178 als Königin herrscht.

Spiel­räume

Wie verbringt man die Zeit auf so einem Event? Das gute Essen und die ritterlichen Turniere schaffen das passende Ambiente zum Sehen und Gesehen werden. Unterhaltung bieten der Elite neben den Kampfspielen auch Brettspiele.

Kriegs­spiel

Besonders die Oberschicht und die Ritter verlieben sich in das Schachspiel, denn aufgrund seiner Taktik, seinen Spielzügen und Figuren ist Schach ein Abbild des Krieges: Zwei Heere kämpfen gegeneinander und versuchen, den gegnerischen König gefangen zu nehmen. Deshalb wurde das Spiel auch gerne zur Strategie-Schulung von Königen, Prinzen, Fürsten und deren Rittern benutzt.

Die Dame ist die stärkste Figur im Spiel der Könige. Sie kann beliebig weit in alle Richtungen ziehen und gegnerische Figuren auf dem Zielfeld schlagen.

Ihre bedeutende Position erzählt noch heute von einer ritterlichen Haltung, wie sie beim Mainzer Pfingstfest durch das Hofieren der anwesenden Frauen zelebriert wird.

Dominicus

  • Burkhard:

    Verehrter ritterlicher Freund des Schachspiels. Ich freue mich, dass wir uns trotz der abgesagten Ritter-Turneis in Mainz im Zuge eines Schachspiels duellieren konnten. Doch verrate mir, konntest du die Niederlage bereits verkraften?

  • Dominicus:

    Dein Spott ist nur Antrieb dich bei unserem nächsten Wiedersehen zu schlagen. Das Glück war dieses Mal auf deiner Seite. Doch Glück reicht nicht, um die Kunst des Schachs auf Dauer zu beherrschen. Des Weiteren möchte ich dich erneut darauf hinweisen, dass deine regionalen Regeln sich stark von den meinen unterschieden haben.

  • Burkhard:

    Fest steht, dass ich die Schach-Figuren aus Speckstein habe besser über das Schachbrett gleiten lassen können. Ich möchte dich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass du deinen Läufer zu statisch hast verwendet.

  • Dominicus:

    Gott bewahre! Ich kannte die Regel nicht, dass der Läufer diagonal über die komplette Bahn ziehen darf. Auf meinem Hofe springt der Läufer lediglich auf das übernächste Feld.

  • Burkhard:

    Welch eine stinkende Ausrede. Oder möchtest du mir sagen, dass du deswegen auch deine Dame so undynamisch hast bewegen wollen die ganze Zeit?

  • Dominicus:

    Edler Ritter, auf meinem Hofe orientiert sich das Schachspiel stark an der Ordnung des Zusammenlebens. Die Dame auf dem Schachbrett wird bei uns klassisch lediglich auf das nächste diagonale Feld verschoben. Das Schachspiel ist auch ein Abbildung der Gesellschaft. Oder sollen eure Damen am Hofe schon bald mehr Bewegungsrechte erhalten?

  • Burkhard:

    Wer so in der Zeit stehen bleibt, wird nicht nur weitere Schachspiele verlieren, sondern auch den Anschluss an die Gesellschaft.

  • Dominicus:

    Ich befürchte, du hast den Anschluss an gesittete, höfische Kommunikation verloren.

  • Das Schachspiel verbreitet sich schnell und damit verändern sich auch die Figuren und die Materialien.

  • Verschiedene Schachsteine

Der Ursprung des Schachspiels

Das Schachspiel zählt weltweit zu den bekannten strategischen Brettspielen und hat seinen Ursprung im Nahen Osten. Durch den kulturellen Austausch und die Kreuzzüge verbreitet es sich zunächst im Mittelmeerraum und später auch im restlichen Europa. In Deutschland ist das Spiel bereits seit dem Zweiten Kreuzzug (1147–1149) bekannt.

Immer unterwegs

In der Stauferzeit haben die Könige und Kaiser noch kein festes Zuhause, weil es keine Hauptstadt gibt. Deshalb reisen sie ständig von Burg zu Burg, um sich an möglichst vielen Orten zu zeigen und nicht in Vergessenheit zu geraten. Auf diesem Grundprinzip baut auch der Mainzer Hoftag auf. Denn auch Barbarossa ist ein Reisekaiser.

Unterwegs nimmt der kulturelle Austausch zu. Etwa während der Kreuzzüge werden durch die Vereinnahmung der fremden Gebiete die Reichtümer, kulturelle Güter und gesellschaftliche Gepflogenheiten ins eigene Land gebracht. So kommen auch die Vorbilder für die Spielsteine nach Mainz.

Große Schiffe, wie dieser Nachbau es zeigt, sind unentbehrlich für weite Reisen.

Im Zeichen des Kreuzes

Einige der Kriege zwischen Christen und Muslimen haben das Ziel, Jerusalem für das Christentum zu erobern. Die Heilige Stadt ist ein wichtiger Pilgerort. Um den Zugang dazu zu sichern, ruft Papst Urban II. im Jahr 1095 zum sogenannten „Heiligen Krieg“ auf. Zu erkennen sind die christlichen Truppen bei den Kreuzzügen durch die großen Kreuze auf den Schiffen und Rüstungen. Den Dritten Kreuzzug (1189-1192) führt zunächst Kaiser Friedrich I. Barbarossa an. Er ertrinkt jedoch unterwegs.

Nachwirkungen einer Nonne

Schon ein bis zwei Messerspitzen Quendel machen das Lamm auf der Festtafel beim Hoffest zu einem besonderen Erlebnis. Die Verwendung des wilden Thymians hätte Hildegard von Bingen (1098–1179) gefreut. Schließlich empfiehlt sie es zum Kochen als auch für die Haut.

Eine weitere mächtige Frau ist Hildegard von Bingen. Sie ist durch Briefe berühmt geworden, die sie teils zu ihren Gunsten für die Nachwelt korrigieren lässt. Zu ihren Brieffreund:innen gehört auch Barbarossa, der manche Ermahnung vielleicht lieber nicht gelesen hätte.

Das Phänomen Hildegard

Seit 850 Jahren verbinden die Leute mit Hildegard von Bingen ein bestimmtes Bild: Sie ist die Kräuterkundlerin, die Theologin, die Naturheilerin, die Musikerin, die Spirituelle, die Gelehrte, die Nonne, die Visionärin und die Dichterin. Heute wird unter ihrem Namen von der Fastensuppe über Veilchencreme bis zu Heilsteinen vieles angeboten, was im esoterischen Alltag nicht fehlen darf.

Die adlige Hildegard ist das zehnte Kind. Ihre Familie beschließt, das kränkliche Mädchen mit 8 Jahren in ein Kloster zu geben. Dort erlangt sie ihre umfassende Bildung. 1136 wird sie Leiterin des Frauenklosters, bis sie 1150 ein eigenes Kloster bei Bingen gründet. Dort wird sie als Seherin konsultiert, bevor sie zu eigenen Pilgerfahrten aufbricht.

Hildegard hat Visionen

Beatrix

  • Beatrix:

    Mon cheri, schon bald können wir uns endlich wieder in den Armen liegen!

  • Barbarossa:

    ❤️ Meinst du, ich hab an alles gedacht?

  • Beatrix:

    Bleib cool, ein so großes Fest hat es in der Weltgeschichte noch nicht gegeben. Trink vielleicht etwas von Hildegards Nerventee, der wird dich beruhigen.

  • Barbarossa:

    Ich hasse Kräutertee, das hab ich dir schon HUNDERT Mal gesagt.

  • Beatrix:

    Jetzt stell dich nicht so an. Deine Nervosität ist nicht zu verstecken. Was sollen denn die Leute denken?

  • Barbarossa:

    Ach was, schnick schnack. Ich muss mich um wichtigere Dinge kümmern. Was machen wir eigentlich, wenn es regnet?

  • Beatrix:

    Der Regen wird vorbeiziehen, das sagt zumindest meine Wetter-App.

  • Barbarossa:

    Bist du sicher?

  • Beatrix:

    Und wenn schon, dann ist es ein Zeichen Gottes, zumindest sagt Hilde das immer.

  • Barbarossa:

    Ach mein Schatz, was würde ich nur ohne dich tun.

  • Beatrix:

    Werden wir eigentlich auch etwas Zeit für uns haben? Ich würde dir gerne meinen neuen Unterrock zeigen. 😉

  • Barbarossa:

    Puh, das könnte schwierig werden, ich hab echt viel zu tun.

  • Beatrix:

Unrühmliches Ende

Auch andere sehen Barbarossa durchaus kritisch, äußern es nur nicht so direkt. Auf dem Mainzer Hoffest erzählt man sich Geschichten über die Taten Barbarossas – über Siege und Niederlagen. Ein großer Streitpunkt ist seine Politik in Italien. Während ihn die einen als Friedensstifter loben, beurteilen andere sein Verhalten als brutal und tyrannisch.

Das sogenannte „Barbarossa-Relief“ soll zum Spott an den Toren Mailands angebracht gewesen sein. Es könnte Barbarossa zeigen, der hier schamhaft und erschrocken die Beine übereinanderschlägt. Eine Kreatur zu seinen Füßen symbolisiert die Hinterlistigkeit seines Handelns.

Beim Mainzer Hoffest ist das Programm noch längst nicht beendet. Da zieht ein Unwetter auf und lässt gleich mehrere Zelte und die Holzkirche einstürzen. Es kommt unter den Feiernden zu Todesopfern. Das Fest wird abgebrochen. Ein göttliches Zeichen?

Erinnerungs­kultur

Was sich während des Mainzer Hoffests nicht erahnen lässt: Im 19. Jahrhundert ist Barbarossa erneut in aller Munde. Dieses Mal ist die Zuordnung klar: Barbarossa wird zum nationalen Helden erklärt.

In einer Zeit der Niederlagen gegen Napoleon und der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation sehnen sich viele nach einer starken Nation. Ein Vorbild finden sie im mittelalterlichen Kaisertum Barbarossas. Es entsteht der Mythos um einen schlafenden Barbarossa, der auferstehen und das deutsche Volk erlösen werde. Mit dieser Sage ist auch das Kyffhäuserdenkmal von 1896 verknüpft.

Ein nackter, schwimmender Barbarossa mit Krone, ist nicht das Bild das Barbarossa beim Hoffest von sich zeigt. Was lustig aussieht, ist zudem ernst, nämlich der Tod Barbarossas. Auf dem Kreuzzug ins Heilige Land ertrinkt er am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph in der heutigen Türkei.

Unter den zahlreichen Texten und Theaterstücken zu Barbarossa, finden sich auch Bilder seiner ruhmreichsten Momente, wie auf diesem Kupferstich: Das Mainzer Hoffest.

Geht’s noch?

  • Barbarossa hat die Gruppe „Geht’s noch?“ gegründet

  • Barbarossa hat Friedrich Rückert, Heinrich Heine und May Ayim hinzugefügt

  • Barbarossa:

    Um es in der Sprache von euch Dichtern und Denkern zu sagen: was habt ihr mit mir gemachen tut?

  • Rückert:

    Hoffnung, Kaiser Barbarossa, war alles was unserem Volke blieb.

  • Heine:

    @Rückert. Ihre Ideale scheinen genau so schlecht wie Ihre Texte. Entschuldigen Sie meine Direktheit Kaiser Barbarossa: Sie sind eine Witzfigur.

  • Barbarossa:

    Whaaaat @Heine?! Ich glaube, dein Bein isch verdräääht.

  • Heine:

    Gott bewahre. Es kann nicht in dem Sinne ihrer Krone gewesen sein, als wiederauferstehender Kaiser in die Geschichte einzugehen?

  • Rückert:

    Eine starke Nation braucht starke Bilder.

  • Ayim:

    Eine starke Nation? Drei brüllende, alte, weiße Männer, die sich in einem Chat streiten, steht ziemlich sinnbildlich für eure Nation. Eine Nation, die ihren Stolz auf Fantasiefiguren aufbaut und dann zusieht und klatscht, wenn Menschen massenweise ermordet werden…

  • --- Rückert hat den Chat verlassen

  • --- Heine hat den Chat verlassen

  • Barbarossa:

    Ja, voll! Hey May, was geht bei dir so? Mich interessiert deine Kultur total! Vielleicht komm ich mal mit paar Homies vorbei! Ich gehe gerne auf Reisen. #homeiswheremybackpackis

  • --- May Ayim hat den Chat verlassen

  • Barbarossa:

    Leute?... Null understatement für diese Zukunftsfiguren. Ich gehe lieber dahin, wo die Stimmung mir wohlgesonnen ist. BACK TO THE PARTY ➡️ zum Mainzer Hoffest

Literatur

Auswahl verwendeter Literatur:

Sabine Buttinger und Jan Keupp: Die Ritter, Stuttgart 2013, S. 11–54.

Barbara Beuys: Das Leben der Hildegard von Bingen, Frankfurt 2009, S. 14f und 208.

Knut Görich, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, u. a. S. 166, 505–514, 587–591.

Knut Görich: Kaiserin Beatrix, in: Karl-Heinz Rueß: Frauen der Staufer, Göppingen 2006, S. 43–43 und 58.

Martina Hartmann, Beatrix, in: Amalia Flößel: die Kaiserinnen des Mittelalters. Regensburg 2011, S. 197 –212.

Jan Keupp, Die erste Hühnerfarm zu Mainz - Zu Ökonomie und Logistik der Hoffeste, in: Alfried Wieczorek u.a. (Hg.), Die Staufer und Italien, Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, Darmstadt 2010, S. 277–282.

Jan Keupp, Das Kaisertum steckt im Detail. Imperiale Kleiderformen im 12. Jahrhundert, in: Stefan Burkhardt u. a. (Hg.), Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte – Netzwerke – Politische Praxis, Regensburg 2010, S. 361–382.

Jessica Keutz: Das Selbstverständnis der Wöltingeroder Zisterzenserinnen, in: Wolfenbüttler Notizen zu Buchgeschichte 37, Heft 1/2, 2012, S. 67–74.

Stefan Lang (Hg.), Wie wäscht man ein Kettenhemd?, Göppingen 2014, S. 68f.

Antonius van der Linde, Geschichte des Schachspiels, Dresden 2018.

Gerhard Lubich, Das Kaiserliche, das Höfische und der Konsens auf dem Mainzer Hoffest (1184). Konstruktion, Inszenierung und Darstellung gesellschaftlichen Zusammenhalts am Ende des 12. Jahrhundert, S. 209-221.

Olivia Mayer: Friedrich I. und Beatrix von Burgund, in: Kaiser und die Säulen der Macht, S. 358.

Ferdinand Vetter [Hrsg.], Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen Frauenfeld 1892. Alfons X. "der Weise": Das Buch der Spiele, 2009.

https://mittelalter.fandom.com/de/wiki/Schachspiel, abgerufen am 07.06
https://studyflix.de/geschichte/kreuzzuge-3732, abgerufen am 07.06
http://schachfreunde-sailauf.de/schach/geschichte.html, abgerufen am 27.05.22
Geo Epoche, S. 210, 215